50 Jahre Frauenstimmrecht: Erinnerungen

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Am 7. Februar 1971 wurde in der Schweiz das Frauenstimmrecht für Bundesangelegenheiten eingeführt.
Für mich war dieses bereits 1960 zu einem Thema geworden: Ich hatte mich eben für ein Austauschjahr in den USA angemeldet und hatte dafür ein Testinterview zu bestehen. Eine der Fragen lautete: «Sie werden darauf angesprochen, warum die Schweiz kein Stimm-recht für Frauen hat. Was antworten Sie?»
Ja, da suchte ich nun Begründungen für diesen ungewöhnlichen Zustand. Die Direkte Demokratie führte ich an, mit ihren Landsge-meinden, welche zum traditionsbewussten Selbstverständnis der Schweiz ganz einfach dazu gehörten und die mit der doppelten An-zahl von Stimmberechtigten aus organisatorischen und Platzgrün-den nicht mehr würden durchgeführt werden können. Und dann würde ich den Amerikanern die Landsgemeinden in den lebhaftes-ten Farben schildern – wenn möglich mit Bildern – bis sie ganz be-geistert wären und die Frage vergessen hätten.
Selber hatte ich bis dahin sowohl im familiären wie im schulischen Umfeld keinerlei mangelnde Gleichberechtigung oder Minderwertig-keit erlebt: Meine Mutter hatte eine starke Stellung in Haus und Ge-schäft, und im Gymnasium wurden wir bereits damals völlig selbst-verständlich von je einer Professorin in Chemie und Mathematik un-terrichtet.
Später belegte ich an der Universität Zürich neben Mathematik und Chemie auch das obligatorische Fach Physik, das Frau Prof. Dr. Ve-rena Meyer erteilte.
Während meiner Arbeit als Primarlehrerin erklärte mir der Schulprä-sident, dass die Lehrer der Schulgemeinde in drei Lohnkategorien entlöhnt würden.
Den kleinsten Lohn erhielten (ledige) Frauen, dann folgten ledige Männer und am meisten erhielten verheiratete Männer, die ja auch noch eine Familie zu versorgen hätten. Die Schulpflege habe nun beschlossen, mir nach meiner Heirat den Lohn eines verheirateten Mannes auszurichten, da mein Mann als Student nichts verdiene und ich für die Familie allein aufkommen müsse.
Da fehlten nur noch die vollständigen politischen Rechte. Als dann schliesslich 1971 nach dem bereits früher eingeführten Frauen-stimmrecht in Gemeinde und Kanton endlich auch das allgemeine Stimmrecht für Bundesangelegenheiten galt, war für mich die Gleichberechtigung auch auf diesem Gebiet hergestellt.

Dieser Text wurden in ähnlichem Wortlaut im Februar 2021 in der Lokalzei-tung «Küsnachter» veröffentlicht

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