Rubrik: Alle / Erziehung und Familie /

Von der Sprache

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„Mama“! „Papa“! Welch neue Welt öffnet sich den Eltern, wenn ihre Kinder die ersten Worte formen. Das Kind zeigt, dass es seine Eltern und deren Wichtigkeit kennt. Bereits die nächsten Worte sagen mehr aus über den Charakter des Kindes oder die Art seiner Umgebung: Seien es nun „Auto“, „nein“, „heiss“, oder wie im Falle eines unserer Enkel „Ange“ (=Grillierzange). Besonders spannend wird es, wenn die einzelnen Wörter zu Satzteilen werden, die die Gedankengänge der Kinder offenbaren. Da werden Wünsche oder Forderungen angebracht, manchmal mit grosser Beharrlichkeit, bis man sie versteht. Kleine Erlebnisse werden erzählt, die grossen Eindruck gemacht haben. Aber auch Eigensinn und Verweigerung werden bald ausgedrückt.

Durch die Sprachfähigkeit – gegenseitiges Reden und Zuhören – wird ein Eingehen auf das Gegenüber, das Verständnis für den anderen ermöglicht. Vertrauen und Gemeinsamkeiten bauen sich auf.

Hält man sich als Erwachsener in fremden Ländern auf, deren Sprache man nicht versteht, deren Schriftzeichen einem fremd sind, spürt man bald eine gewisse Verlorenheit. Man ist abgeschlossen von der Umwelt. Zeitungen werden zu Büchern mit sieben Siegeln, Radio und Fernsehen zu leeren Bild- oder Geräuschkulissen. Einfache Dinge wie Essen bestellen werden zu Wagnissen, die einem den Appetit verderben. Der Wunsch teilzuhaben an dieser fremden unverständlichen Welt, dazuzugehören, wird je länger je dringlicher.

Etwas anders ist die Situation, wenn man sich als Gruppe Gleichsprachiger in fremden Ländern aufhält. Da wird das Ausgeschlossensein rasch zum Stolz aufs Anderssein. Der eigene Kleidungsstil wird betont, Rücksicht auf fremde Sitten vergisst man, die eigene Sprache wird besonders laut gesprochen. Ausgeprägt sieht man dieses Verhalten bei Touristengruppen, deren unangepasstes Benehmen durch die Tatsache des nur kurzen Aufenthaltes verstärkt wird.

Und plötzlich erscheint einem das unangenehme provozierende Gehabe gewisser Ausländergruppierungen in der Schweiz in einem anderen Licht: Sie leben als Fremde in einem Land mit anderen Sitten und Gebräuchen, mit einer andern, ihnen unverständlichen Sprache und betonen nun ihre Eigenart derart offensichtlich, weil sie die unsere nicht verstehen.

Als relativ kleine isolierte Gruppe können sie sich aber in ihrer eigenen Kultur nicht weiterentwickeln und verlieren deshalb rasch ihren herkömmlichen Halt, sei er religiös, kulturell oder traditionell begründet. Um sich dieser Entwicklung, die letztlich zu Heimatlosigkeit oder gar Haltlosigkeit führt, entziehen zu können, haben sie nur zwei Möglichkeiten: Zurückkehren oder das neue Land zu verstehen suchen.

Um unsere Kultur, unsere Einstellungen und unsere Wertvorstellungen zu verstehen, gibt es nur einen Weg: Sie müssen unsere Sprache lernen! Erst wenn sie unsere Art zu leben akzeptieren können, bekommt auch ihre eigene herkömmliche Identität wieder die ihr angemessene Bedeutung.

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