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Antiautoritäre Erziehung – Ihre Auswirkungen heute:

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Das Lustprinzip

Vor mehr als 40 Jahren wurde in der Erziehung unter dem Stichwort „antiautoritäre Erziehung“ das Lustprinzip propagiert. Jedermann musste das Buch „Summerhill“ gelesen haben. Nach meinen Beobachtungen hat sich diese Nicht-Erziehung, diese Erziehungsverweigerung durch die Eltern weitgehend durchgesetzt.

Die Last der Entscheidung

Nicht die Eltern entscheiden, was gut ist für das Kind, sondern das Kind selber. So werde das Kind zur Selbstverantwortung erzogen, lautet die Begründung. Der Grund für diese Methode scheint aber eher in der elterlichen Unsicherheit zu liegen, in der Angst vor einer falschen Entscheidung und auch in der Bequemlichkeit des Laisser-faire, Laisser-aller. Dabei wird vergessen, dass die Last der Entscheidung einfach aufs Kind überwälzt wird, welches dadurch oft überfordert und in dieser Überforderung zwänglerisch und launisch wird. Es wird ihm zur Gewohnheit, alles zu wollen, alles zu fordern und alles zu bekommen. Sein Wollen wird zum Massstab aller Dinge.

Das Lustprinzip

Das Lustprinzip hat heute auch in der Volksschule oberste Priorität; es gibt keine Gebote oder Regeln, Verbote und Zwänge sind tabu, Fleiss und Leistung sind verpönt. Dieses „Tun, was man mag“ zeigt sich auch äusserlich im Klassenzimmer: Man findet keine einheitliche Sitzordnung: Hier gibt es eine „Kuschelecke“ oder „Rückzugsnische“, da sind Schultische gegeneinander gestellt, damit auch alles im Team besprochen und gelöst werden kann.

Die Leistung des Einzelnen ist so nicht messbar. Verschiedene Gruppen widmen sich verschiedenen „Projekten“ in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Wie schwierig die Anleitung und die Aufsicht der Lehrer in diesem Durcheinander wird, kann man sich lebhaft vorstellen. Eigentlich verständlich, dass viele Klassen von mehreren Lehrpersonen geführt werden, was allerdings den Ablauf der Schulstunden zusätzlich verkompliziert.

Rücksichtslosigkeit

Erfüllung der eigenen Wünsche ist oberstes Ziel. Rücksicht auf Bedürfnisse anderer Menschen oder auf gewisse Realitäten wird dabei nicht genommen. Diese Rücksichtslosigkeit ist heute bereits bei vielen Kindern und Jugendlichen im Umgang mit anderen Menschen zu sehen, im Strassenverkehr auf Velos oder Rollbrettern, im achtlosen Umgang mit Abfall, in der Unfähigkeit, eine Berufslehre zu bestehen oder generell das Leben zu meistern. Allzu viele suchen in der Pubertät vor dieser Herausforderung Schutz im Nebel von Drogen und Alkohol oder verkriechen sich ins soziale Netz der Hilfsangebote. Andere suchen ihre Grenzen in der Kriminalität. Die neuerdings schockierende Gewalt unter Jugendlichen ist eine Eskalation dieser „anerzogenen“ Rücksichtslosigkeit. Es ist die Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Menschen, gegenüber Tieren und  Pflanzen, gegenüber fremdem Eigentum, gegenüber der Natur, letztlich die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Leben.

Wertefreie Gesellschaft

Diese Entwicklung wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass das Vermitteln von moralischen und kulturellen Werten, von Vorbildern, Mythen, religiösen Inhalten, biblischen Geschichten als altmodisch, rassistisch oder unvereinbar mit der Meinungs- und Religionsfreiheit verschrieen und schon aus den Kindergärten verbannt   wird. Eine „wertefreie“ Gesellschaft, in der es keine Werte, Ideale und geistige Inhalte mehr gibt, kann gar keine anderen Beweggründe als Egoismus und Selbstbezogenheit in allen Bereichen anerkennen. Durch Volksentscheid wurde die Anordnung, schon im Kindergarten zugunsten des angepassten Hochdeutschen auf die Pflege der eigenen Muttersprache, des Schweizerdeutschen mit seinen Gedichten und Liedern, zu verzichten, wenigstens teilweise aufgehoben. Diese Massnahme hätte unsere Kinder weiter entwurzelt. Für die gesamtheitliche Entwicklung des Kindes ist es wichtig, dass es eine Sprache versteht und spricht, und zwar eine Sprache, die alle Lebensbereiche umfasst, die Gefühle, Gedanken, Tatsachen und Werte ausdrückt. So erlangt das Kind Sicherheit und sprachliches Ausdrucksvermögen. Es entwickelt die Fähigkeit, sich mit anderen Leuten zu verständigen und die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen. Hat das Kind keine Möglichkeit, seine Wurzeln in seiner Muttersprache zu bilden, wird es sich später heimatlos fühlen, zwischen zwei Welten, wie das ja oft auch von Migrantenkindern empfunden wird. Mit Wurzeln in der Muttersprache fällt es dem Kind später auch leichter, eine zweite Sprache zu lernen. Jede Mutter, jeder Vater weiss, dass Kinder insbesondere von anderen Kindern im Nu eine zweite Sprache lernen. Nur wer in der Kindheit Wurzeln bilden konnte, wird wachsen können und später Laub, Blüten und Früchte bilden können.

Erziehung zum Leben

Wo man bewusst alle Grenzen und Schranken, Verbote und Regeln, Disziplin und Unterordnung für den Einzelnen niederreisst, wo man die eigene Sprache und die eigene Kultur als minderwertig betrachtet, wo man auf Wertevermittlung verzichtet und sich zudem (zum Teil ebenfalls aus egoistischen Gründen) scheut, als Vorbild zu leben, da kann einem für die Zukunft nur bange sein.

Wie man all diesen folgeschweren Erziehungsfehlern Einhalt gebieten kann, ist mir eine schwere Sorge: Kinder fördern dort, wo sie Interessen haben, sie aber gleichzeitig auch motivieren für vorerst unangenehme Aufgaben, Kinder zu kritischen Menschen heranziehen, sie aber gleichzeitig lehren, gewisse Unzulänglichkeiten oder Unbequemlichkeiten zu ertragen, Kinder zu selbstbewussten Menschen werden lassen und in ihnen gleichzeitig einen Sinn für Verantwortung für ihre Mitmenschen und ihre Umwelt heranbilden – das sollten unsere Ziele sein.

Die Ausgestaltung der Schule hat sich diesen Erfordernissen der Erziehung anzupassen und sie zu unterstützen. Lernziele, das Übermitteln von Wissen, das Schulen und Ausbilden von geistigen, körperlichen, künstlerischen Fähigkeiten haben sich diesem grundsätzlichen Ziel – der Erziehung zum Leben – unterzuordnen. Daran soll sich die ganze Neugestaltung unserer Volksschule messen und nicht, wie dies heute in weiten Teilen der Fall ist, kritik- und gedankenlos veralteten Ideologien und oberflächlichen Schlagworten zu folgen.

Eltern sind verantwortlich

Erziehung ist Sache der Eltern. Nur so ist sichergestellt, dass unsere Kinder und Jugendlichen nicht als Masse manipuliert werden. Der „Staat“ kann nur Menschen als Erzieher und Lehrer zur Verfügung stellen. Menschen, die auch Fehler und Nachteile haben. Zwar kann er diese Menschen gezielt ausbilden, er kann Methoden und Erziehungsrezepte vermitteln, aber Erziehung erfolgt nicht einfach über Anleitungen. Mit der Erziehung werden auch Lebensanschauungen, Werte übermittelt. Und diese dürfen nicht einfach dem Staat überlassen werden. Totalitäre Staaten sind bekannt, dass sie über die Schulen ihre Macht über die Bürger ausdehnen und durch Indoktrinierung der Kinder und Jugendlichen Widerspruch und Auflehnung gegenüber Unrecht abblocken.

Zur Erziehung braucht es nicht einfach Thesen, Methoden und Ideologien, dazu braucht es auch Herz, Einfühlung, Anteilnahme, Engagement und Vorbild.

Ganztagesschulen gaukeln vielen Eltern vor, sie könnten die Erziehungsverantwortung an der Schultüre abgeben. Die Erziehungsverantwortung muss aber bei den Eltern bleiben. Diese Verantwortung ist  – anders als in der Schule – genau zugeordnet: Durch die Geburt ihrer Kinder sind Menschen zu Eltern geworden und dies werden sie ihr Leben lang bleiben. Erziehung ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wir als Eltern, Grosseltern oder Lehrer können uns dieser Herausforderung nur stellen, wenn wir uns immer wieder vor Augen halten: Unsere Kinder werden sich als Erwachsene der Realität des Lebens stellen müssen. Es wird nebst viel Schönem auch Unangenehmes, Leidvolles und Mühsames auf sie zukommen. Erziehen wir unsere Kinder so, dass sie das Leben in all seinen Facetten annehmen können!

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