Rubrik: Alle / Persoenliches /

Nach der Abwahl (geschrieben 20.01.2008)

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Spaziergang oder Einkauf, Konzertpause oder Kirchenbesuch, politischer Anlass oder spontanes Treffen, überall werden wir auf die Abwahl vom 12. Dezember 2007 angesprochen. Die Leute drücken ihr Bedauern aus über die Vorgänge in Bern, ihre Empörung und ihr Entsetzen ob der unerwarteten Häme und Hinterlist. Manche sind so getroffen, dass sie ihre Tränen nicht zurückhalten können. Dass gewählte Volksvertreter, die vor Gott einen Eid geschworen haben, zu so etwas fähig sind, hätten sie nie geglaubt. Spürbar ist ihr Mitgefühl nicht nur in vielen bewegenden Briefen, sondern auch in Geschenken und Blumensträussen, die sie schicken und vorbeibringen, um für die geleistete Arbeit und den ungeheuren Einsatz meines Mannes fürs Wohl von Volk und Land zu danken. Wie immer in ausserordentlichen Situationen erlebt man unter all den vielen positiven Reaktionen auch Negatives. Die meisten davon sind so primitiv, dass sie einen nicht berühren. Eine negative Reaktion allerdings hat mich beschäftigt: Ein Mann, den ich als Freund bezeichnet hätte, tut mir seine Meinung kund in einer Gedankenlosigkeit, die mich betroffen macht. Er wiederholt all die Sätze, die man von erfolglosen Politikern gelesen und gehört hat: Er redet vom „polterigen“ Stil der SVP, erwähnt aber mit keinem Wort den schlechten Stil der Abwahl oder die möglicherweise gar strafbaren Umstände des Putschversuchs von Geschäftsprüfungskommission (Meier-Schatz) und Bundesanwälten (Fels und Niccati). Er spricht von „nur“ 29%, die SVP gewählt haben und vergisst, dass seit 1919 noch nie eine Partei einen so grossen Wähleranteil hatte. Das Bild vom „Zu-weit-aus-dem-Fenster-herauslehnen“ braucht er, ohne zu merken, dass gerade er, der sich stets hinter dem Vorhang versteckt, auch davon profitiert. Ich bin nicht nur enttäuscht, sondern wütend: Die Welt hat sich noch nie bewegt, geschweige denn verbessert, durch Leute, die ihre Kritik aus dem geschützten Lehn- oder Lehrstuhl heraus formulieren, denen aber die Kraft zur Tat fehlt. Die Fülle der Gefühle, die da täglich auf uns zubrandet, wird mir fast zu viel: Oft kommen mir die Tränen. Nicht Tränen der Empörung, sondern Tränen der Rührung, des Bewegtseins, auch der emotionalen Erschöpfung. Die Reaktionen der Mitmenschen sind ähnlich wie bei einem überraschenden Todesfall: Zuerst waren sie wie gelähmt. Manche erzählen mir, wie sie tagelang benommen – wie nach einem Schlag auf den Kopf – herumgeirrt seien, andere sprechen von Appetit- und Schlaflosigkeit. Und dann kam die Trauer und der Zorn auf über diese nie für möglich gehaltene Hinterhältigkeit der Attacke. Viele schrieben Leserbriefe, alle diskutierten miteinander. Tausende wurden Mitglieder der Schweizerischen Volkspartei. Aufgabe der SVP wird es sein, all diese Reaktionen in positive Kräfte umzuformen, welche sich einsetzen für eine offene, klare Politik zugunsten unserer Schweiz.

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